Baha'u'llah 7. November 1911 | ![Baha'u'llah](2/baha-u-llah.jpg)
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Abdu'l-Baha sprach:
Ich will euch heute von Baha'u'llah erzählen. Im dritten Jahr, nachdem der Bab Seine Mission erklärt hatte, wurde Baha'u'llah von fanatischen Mullahs des Glaubens an die neue Lehre angeklagt, verhaftet und gefangen gesetzt. Am nächsten Tag jedoch veranlaßten einige Minister der Regierung und andere einflußreiche Männer, daß man ihn wieder frei ließ. Später wurde Er erneut verhaftet, und die Priester verurteilten ihn zum Tode. Der Statthalter konnte sich nicht entschließen, dieses Urteil zu vollstrecken, da er einen Aufruhr fürchtete. Die Priester versammelten sich in der Moschee, vor der der Richtplatz war. Die ganze Stadtbevölkerung rottete sich außerhalb der Moschee zusammen. Die Zimmerleute brachten ihre Sägen und Hämmer mit, die Metzger kamen mit ihren Messern, die Maurer und Baumeister schulterten die Spaten. Durch die rasenden Mullahs aufgestachelt, brannten diese Menschen alle auf ihren Anteil an der Ehre, ihn zu töten. Im inneren der Moschee befanden sich die Religionsgelehrten. Baha'u'llah stand ihnen gegenüber und beantwortete alle ihre Fragen mit großer Weisheit. Besonders der Oberste der Weisen wurde durch Baha'u'llah, der dessen Beweisgründe sämtlich widerlegte, ganz zum Schweigen gebracht.
Zwischen zweien dieser Priester erhob sich ein Meinungsstreit über den Sinn einiger Worte in den Schriften des Bab. Sie ziehen Ihn der Ungenauigkeit und forderten Baha'u'llah auf, ihn zu verteidigen, wenn Er dazu imstande wäre. Diese Priester wurden vollständig gedemütigt, denn Baha'u'llah bewies vor der ganzen Versammlung, daß der Bab vollkommen im Recht und die Anklage aus Unwissenheit erhoben worden war.
Darauf unterzogen ihn die Unterlegenen der Folterung durch Stockschläge auf die Fußsohlen, um Ihn dann, in immer rasenderer Wut, vor die Moscheemauer auf die Richtstätte zu bringen, wo das Volk Sein Kommen erwartete.
Der Statthalter aber scheute sich noch immer, der Forderung der Priester auf Hinrichtung zu entsprechen. Die Gefahr erkennend, in die man den edlen Gefangenen gebracht hatte, wurden einige Männer ausgesandt, um ihn zu retten. Es gelang ihnen, indem sie ein Stück aus der Moscheewand brachen und Baha'u'llah durch die Öffnung an einen sicheren Ort, aber nicht an einen solchen der Freiheit, brachten, denn der Statthalter wälzte die Verantwortung von seinen Schultern ab und sandte Ihn nach Teheran. Hier warf man Ihn in ein unterirdisches Gelaß, in dem man nie das Licht des Tages sah. Eine schwere Kette wurde Ihm um den Hals gelegt, die Ihn an fünf andere Babis fesselte. Diese Fesseln wurden durch starke und sehr schwere Bolzen und Verschraubungen zusammengeschlossen. Seine Kleider waren ebenso wie Sein Fez in Fetzen gerissen. In diesem schrecklichen Zustand wurde Er vier Monate lang gefangen gehalten.
Während dieser Zeit gelang es keinem Seiner Freunde, Zutritt zu Ihm zu erhalten.
Ein Gefängnisbeamter versuchte, Ihn zu vergiften, doch hatte das Gift, außer den großen Leiden, die es Ihm bereitete, keine Wirkung.
Nach einiger Zeit setzte Ihn die Regierung in Freiheit und verbannte Ihn und Seine Familie nach Baghdad, wo er elf Jahre blieb. In dieser Zeit hatte Er schwere Verfolgungen zu erdulden, da Er vom immer wachen Haß Seiner Feinde umgeben war.
Er ertrug alle Trübsal und Qualen mit größtem Mut und Festigkeit. Oft wußte Er, wenn Er sich des Morgens erhob, nicht, ob Er bis zum Sonnenuntergang noch leben würde. Unterdessen kamen täglich Priester und befragten Ihn über Religion und Metaphysik.
Schließlich verbannte Ihn der türkische Statthalter nach Konstantinopel, von wo aus man Ihn nach Adrianopel schickte. Hier blieb Er fünf Jahre lang. Dann brachte man Ihn in die entlegene Festung 'Akka, wo Er in die Militärabteilung gesperrt und strenger Bewachung unterworfen wurde. Die Worte würden mir fehlen, wollte ich von den vielen Prüfungen erzählen, die Er zu erdulden hatte, und von all dem Elend, das Er in dem Gefängnis litt. Nichtsdestoweniger war es dieses Gefängnis, von dem aus Baha'u'llah an alle Herrscher Europas schrieb, und diese Briefe wurden, bis auf einen, durch die Post gesandt.
Das Sendschreiben an Nasir'i'-Din Shah wurde einem persischen Baha'i, Mirza Badi Khurasani, anvertraut, der es unternahm, es in die Hand des Schahs zu übermitteln. Dieser Tapfere wartete in der Nähe von Teheran, bis der Schah vorüber käme, da der Schah die Absicht hatte, auf diesem Weg nach seinem Sommerpalast zu reisen. Der mutige Bote folgte dem Schah bis zum Palast und wartete dann mehrere Tage lang auf der Straße nahe dem Eingang. Man sah ihn immer am gleichen Platz am Straßenrande warten, bis sich die Leute wunderten, warum er dort sei. Schließlich hörte der Schah von ihm und befahl seinen Dienern, den Mann zu ihm zu bringen.
„O Diener des Schahs, ich bringe ein Schreiben, das ich ihm eigenhändig zu übergeben habe“, sagte Badi, und dann sprach er zum Schah: „Ich bringe euch ein Schreiben von Baha'u'llah.“ Er wurde sofort ergriffen und von Fragern ausgeforscht, um ihm Berichte zu entlocken, die sie bei ihren künftigen Verfolgungen Baha'u'llah verwenden könnten. Badi erwiderte mit keinem Worte. Darauf wurde er gefoltert, aber er schwieg trotzdem weiter. Drei Tage später tötete man ihn, ohne ihn zum Sprechen gebracht zu haben. Diese grausamen Männer photographierten ihn während der Folter¹
¹ Ein Mann, der zugegen war, als Badi den Auftrag erhielt, den Brief zum Schah zu bringen, sah in verklärt; er wurde strahlend.
Der Schah übergab das Schreiben Baha'u'llah den Priestern, damit sie es ihm erklärten. Nach einigen Tagen teilten diese Priester dem Schah mit, daß der Brief von einem politischen Gegner stamme. Der Schah ergrimmte und sprach: „Das ist keine Erklärung, ihr werdet von mir bezahlt, um meine Briefe zu lesen und zu beantworten, gehorcht daher!“
Der Sinn und die Bedeutung des Sendschreibens an Nasir'i'Din Shah war, kurz gesagt: „Da die Zeit für die Erscheinung der Herrlichkeit Gottes nun gekommen ist, bitte ich, nach Teheran kommen und die Fragen beantworten zu dürfen, die die Priester an Mich richten mögen.“
„Ich ermahne euch, euch von der weltlichen Pracht eures Reiches zu lösen. Denkt an alle jene großen Könige, die vor euch lebten! Ihre Herrlichkeit ist dahingegangen.“
Der Brief war in äußerst schönem Stil geschrieben. Er enthielt noch weitere Warnungen an den König und kündete ihm vom kommenden Sieg des Reiches Baha'u'llah in der Welt des Ostens wie des Westens.
Der Schah beachtete die Warnungen dieses Schreibens nicht und lebte in der alten Weise weiter bis ans Ende.
Obgleich Baha'u'llah gefangen war, so war doch die große Macht des Heiligen Geistes mit ihm!
Niemand sonst hätte im Gefängnis so wie Er sein können. Trotz allem Ungemach, das Er erduldete, klagte Er nie.
In der Würde seiner Erhabenheit lehnte Er es ab, den Statthalter oder die einflußreichen Persönlichkeiten der Stadt zu sehen.
Obwohl die Überwachung unablässig streng war, kam und ging Er doch, wie es ihm beliebte. Er starb in einem Hause, das etwa drei Kilometer von Akka entfernt ist.
aus Abdu'l Baha, Ansprachen in Paris