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Die Anerkennung der Beziehung zwischen Religion und Wissenschaft - Viertes Prinzip

Paris, Avenue de Camoens 4, 12. November 1911

Die Anerkennung der Beziehung zwischen Religion und Wissenschaft

Abdu'l-Baha sprach:

Ich habe zu euch über einige Prinzipien Baha'u'llah und zwar über die Suche nach Wahrheit und die Einheit des Menschengeschlechtes gesprochen. Ich will nun das vierte Prinzip, die Anerkennung der Beziehung zwischen Religion und Wissenschaft, erklären.

Es gibt keinen Widerspruch zwischen wahrer Religion und Wissenschaft. Wenn eine Religion im Gegensatz zur Wissenschaft steht, wird sie zu reinem Aberglauben; das Gegenteil vom Wissen ist die Unwissenheit.

Wie kann ein Mensch etwas für einen Tatsache halten, das die Wissenschaft als unmöglich erwiesen hat? Glaubt er entgegen Seiner Vernunft, so ist dies eher unwissender Aberglaube als Glaube. Die wahren Prinzipien aller Religionen stimmen mit den Lehren der Wissenschaft überein.

Die Einheit Gottes ist logisch, und dieser Gedanke steht nicht im Widerspruch zu den Forschungsergebnissen der Wissenschaft.

Alle Religionen lehren uns, das Gute zu tun, großmütig, aufrichtig, wahrhaftig, gesetzestreu und ehrlich zu sein. Dies alles ist vernünftig und logischerweise der einzige Weg, auf dem die Menschheit vorwärts kommen kann.

Alle Religionsgesetze entsprechen der Vernunft und sind den Menschen angemessen, für welche sie geschaffen wurden, sowie dem Zeitalter, in dem ihnen gehorcht werden muß.

Die Religion umfaßt zwei Hauptteile: erstens den geistigen, zweitens den praktischen Teil.

Der geistige Teil bleibt immer unverändert. Alle Manifestationen Gottes und Seine Propheten lehrten die gleichen Wahrheiten und gaben das gleiche geistige Gesetz. Sie alle lehren das eine Buch der Gesittung. In der Wahrheit gibt es keine Spaltung. Die Sonne hat viele Strahlen ausgesandt, um den menschlichen Verstand zu erleuchten; das Licht ist immer das gleiche.

Der praktische Teil der Religion hat es mit äußeren Formen und Gebräuchen zu tun und mit der Art, gewisse Vergehen zu bestrafen. Dies ist die materielle Seite des Gesetzes, und sie leitet die Gewohnheiten und Sitten der Menschen.

Zu Zeiten Mose wurden zehn Verbrechen mit dem Tod bestraft. Dies änderte sich, als Christus kam. Der alte Grundsatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wurde zu „Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen“, und so wurde das starre, alte Gesetz zu einem solchen der Liebe, des Erbarmens und der Duldsamkeit.

In früheren Zeiten wurde Diebstahl mit dem Verlust der rechten Hand bestraft. In unserer Zeit wäre dieses Gesetz nicht anwendbar. in diesem Zeitalter darf ein Mensch, der seinen Vater verflucht, noch weiterleben, während man ihn früher zum Tod verurteilt hätte. Darum ist es klar, daß sich das geistige Gesetz niemals wandelt, während die praktischen Vorschriften ihre Anwendung entsprechend den Erfordernissen der Zeit verändern müssen. Die geistige Seite der Religion ist die größere, die bedeutsamere von beiden, und sie ändert sich niemals. sie bleibt die gleiche gestern, heute und immer! „Wie im Anfang, so auch heute und immerdar.“

Nun sind alle im geistigen, unveränderlichen Gesetz jeder Religion enthaltenen sittlichen Fragen logisch richtig. Stünde die Religion im Gegensatz zur logischen Vernunft, so würde sie aufhören, Religion zu sein und wäre lediglich Überlieferung. Religion und Wissenschaft sind die beiden Flügel, auf denen sich die menschliche Geisteskraft zur Höhe erheben und mit denen die menschliche Seele Fortschritte machen kann. Mit einem Flügel allein kann man unmöglich fliegen: Wenn jemand versuchen wollte, nur mit dem Flügel der Religion zu fliegen, so würde er rasch in den Sumpf des Aberglaubens stürzen, währen er andererseits nur mit dem Flügel der Wissenschaft auch keinen Fortschritt machen, sondern in den hoffnungslosen Morast des Materialismus fallen würde. Alle gegenwärtigen Religionen sind zu abergläubischen Bräuchen herabgesunken und stimmen nicht mehr mit den wahren Grundsätzen der von ihnen vertretenen Lehre und auch nicht mit den wissenschaftlichen Entdeckungen unserer Zeit überein. Viele religiöse Führer sind zu der Auffassung gekommen, daß die Bedeutung der Religion hauptsächlich darin besteht, an einer Sammlung von bestimmten Dogmen und an der Ausübung von Riten und Zeremonien festzuhalten. Sie lehren diejenigen, deren Seelenheil sie betreuen, genau wie sie zu glauben, und diese halten sich zäh an die äußeren Formen und verwechseln sie mit der inneren Wahrheit.

Diese Formen und Riten weichen nun in den verschiedenen Kirchen und bei den verschiedenen Sekten voneinander ab und widersprechen sogar einander, wodurch sie Anlaß zu Uneinigkeit, Haß und Spaltung geben. Die Folge aller dieser Zwietracht ist die Meinung vieler gebildeter Menschen, daß Religion und Wissenschaft einander widersprechende Begriffe seien, daß die Religion keiner Überlegungskraft bedürfe und in keiner Weise durch die Wissenschaft gelenkt werden sollte, sondern daß beide notwendigerweise im Gegensatz zueinander stehen müßten. Die unglückliche Folge davon ist, daß die Wissenschaft abseits von der Religion dahintreibt und die Religion nichts als ein blindes und mehr oder minder gleichgültiges Befolgen der Vorschriften gewisser Religionslehrer ist, die auf Annahme ihrer eigenen Lieblingsdogmen dringen, selbst wenn sie der Wissenschaft widersprechen. Das ist eine Torheit, denn es ist völlig klar, daß Wissenschaft Licht ist, und weil es so ist, ist Religion, die wir mit Recht so nennen, nicht in Widerspruch zum Wissen.

Wir sind vertraut mit den Ausdrücken „Licht und Finsternis“, „Religion und Wissenschaft“. Religion jedoch, die nicht mit der Wissenschaft Hand in Hand geht, befindet sich selbst in der Dunkelheit des Aberglaubens und der Unwissenheit.

Viel von den Mißhelligkeiten und der Uneinigkeit in der Welt wird durch diese menschengemachten Gegensätzlichkeiten und Widersprüche hervorgerufen. Stünde die Religion im Einklang mit der Wissenschaft und würden sie miteinander gehen, so würde viel von dem Haß und der Bitternis vergehen, die die menschliche Rasse jetzt ins Elend bringen.

Bedenket, was den Menschen von den übrigen erschaffenen Wesen unterscheidet und ihn zu einem besonderen Geschöpf macht. Ist es nicht seine Urteilsfähigkeit, seine Intelligenz, und sollte er sich nicht in seinem religiösen Forschen ihrer bedienen? Ich sage euch: wäget alles, was euch als Religion geboten wird, sorgfältig auf der Waage der Vernunft und Wissenschaft. Wenn es die Probe besteht, so nehmt es an, denn es ist die Wahrheit. Stimmt es hingegen nicht damit überein, so weist es zurück, denn es ist dann Unwissenheit.

Blicket um euch und erkennet, wie die heutige Welt in Aberglauben und äußeren Formen untergeht!

Manche beten das Werk ihrer eigenen Einbildung an; sie machen sich einen selbsterdichteten Gott und verehren ihn, wenn das Erzeugnis ihres endlichen Verstandes nicht der unendliche, mächtige Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren sein kann. Andere beten die Sonne oder Bäume und Steine an. In früheren Zeiten gab es Menschen, die das Meer, die Wolken und selbst den Staub verehrten.

Heute sind die Menschen in ihrer Verehrung derartig von äußeren Formen und Zeremonien abhängig geworden, daß sie so lange über einzelne kirchliche Bräuche oder besondere Übungen streiten, bis man allerseits über ermüdende Erörterungen und Unruhe klagen hört. Es gibt Menschen, die einen schwachen Intellekt besitzen, und ihre Verstandeskräfte sind nicht entwickelt; aber man darf nicht etwa die Kraft und Macht der Religion wegen der Begriffsunfähigkeit dieser Menschen in Zweifel ziehen.

Ein kleines Kind kann die Gesetze, die die Natur beherrschen, nicht verstehen, das rührt jedoch vom unreifen Verstand dieses Kindes her. Wenn es älter geworden und erzogen ist, so wird es auch die ewigen Wahrheiten verstehen. Ein Kind begreift nicht, daß sich die Erde um die Sonne dreht; wenn aber seine Intelligenz erwacht, so ist ihm diese Tatsache ganz klar und einfach.

Die Religion kann unmöglich im Gegensatz zur Wissenschaft stehen, wenn auch mancher Verstand zu schwach oder nicht reif genug ist, um die Wahrheit zu begreifen.

Gott hat Religion und Wissenschaft gewissermaßen zum Maßstab unseres Verstehens gemacht. Seid achtsam, eine so wunderbare Kraft nicht zu vernachlässigen. Wägt alles auf dieser Waage.

Für den, der Fassungskraft besitzt, ist die Religion wie ein offenes Buch. Wie aber könnte ein Mensch ohne Vernunft und Verstandeskraft die göttlichen Wirklichkeiten verstehen?

Bringt euren ganzen Glauben in Übereinstimmung mit der Wissenschaft. Es kann keinen Gegensatz geben, weil es nur eine Wahrheit gibt. Wenn die Religion, befreit von Aberglauben, Überlieferungen und unverständigen Dogmen, ihre Übereinstimmung mit der Wissenschaft dartut, so wird eine große einigende, reinigende Kraft in der Welt sein, die alle Kriege, Uneinigkeiten, Mißklänge und Streitigkeiten vor sich herkehrt, und dann wird die Menschheit in der Macht der Gottesliebe vereinigt werden.

aus Abdu'l Baha, Ansprachen in Paris

 

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