Des Menschen Mangel an LiebeAbdu'l-Bahá sprach: soeben wurde mir gesagt, daß sich hier im Land ein furchtbares Unglück zugetragen hat. Ein Zug ist in den Fluß gestürzt, und mindestens zwanzig Menschen sind dabei ums Leben gekommen ... Ich bin erstaunt und überrascht zu sehen, welche Aufmerksamkeit und Aufregung der Tod von zwanzig Menschen im ganzen Lande wachruft, während man der Tatsache, daß Tausende von Italienern, Türken und Arabern in Tripolis getötet werden, kalt und gleichgültig gegenübersteht! ... Und doch sind auch diese unglückseligen Menschen menschliche Wesen. Warum wendet man diesen zwanzig Wesen so viel Aufmerksamkeit und starkes Mitempfinden zu, während es bei fünftausend Personen nicht der Fall ist? Sie alle sind Menschen, sie alle gehören der Familie der Menschheit an, freilich aber anderen Ländern und Rassen. Es trifft die unbeteiligten Länder nicht, ob diese Menschen zerstückelt werden. Dieses Massenschlachten berührt sie nicht! Wie ungerecht, wie grausam das ist, wie völlig entbehrt es aller guten und echten Gefühle! Die Menschen jener anderen Länder haben Kinder und Gattinnen, Mütter, Töchter und kleine Söhne. In jenen Ländern gibt es heute wohl kaum ein Haus, in dem man nicht bitterlich weinen hört, ist schwerlich ein Heim zu finden, das von der grausamen Hand des Krieges nicht berührt ist. Ach, wir sehen auf allen Seiten, wie grausam, vorurteilsvoll und ungerecht der Mensch ist, wie schwerfällig im Glauben an Gott und im Gehorsam gegenüber seinen Geboten! (PARIS S.89) Wiewohl der gesellschaftliche Organismus eine einzige Familie ist, leben doch aus Mangel an Ausgewogenheit manche Mitglieder im Wohlstand, manche in krassem Elend; manche sind satt, andere hungrig; manche Glieder sind mit kostbarsten Gewändern geschmückt, andere haben weder Nahrung noch Obdach. Warum ? Weil dieser Familie die notwendige Wechselseitigkeit, die Ausgewogenheit fehlt. Der Haushalt dieser Familie ist unordentlich ... Kann ein Familienmitglied tiefstem Elend und schlimmster Armut ausgesetzt bleiben, wenn die übrige Familie im Wohlstand lebt? Das ist unmöglich, es sei denn der Rest der Familie ist gefühllos, geistig verkümmert, ungastlich und lieblos. (Baha'i Briefe 39 S.1046) Die Krankheit, die den Staatskörper befallen hat, besteht im Mangel an Liebe und Uneigennützigkeit. In den Herzen der Menschen ist keine wirkliche Liebe zu finden, und der Zustand ist derart, daß keine Heilung, kein gegenseitiges Verstehen bei den Menschen möglich ist, ehe nicht ihre Empfänglichkeit durch irgendeine Macht geweckt wird, wodurch Einheit, Liebe und Einmütigkeit sich unter ihnen entfalten können. Liebe und Einheit sind heute für den Staatskörper notwendig. Ohne diese sind kein Fortschritt und kein Wohlstand zu erreichen. Darum müssen sich die Gottesfreunde an diese Macht halten, die Liebe und Einheit in den Herzen der Menschenkinder schaffen wird. Die Wissenschaft kann weder die Krankheit des Staates heilen noch Freundschaft und Kameradschaft in den Menschenherzen schaffen. Auch Vaterlandsliebe oder Volkszugehörigkeit können kein Heilmittel bringen. Es muß allein durch die göttlichen Wohltaten und die geistigen Gaben vollbracht werden, die von Gott an diesem Tag zu diesem Zwecke herniedergekommen sind. Die Zeit erfordert es, und das göttliche Heilmittel ist bereitgestellt. Nur die geistigen Lehren der Religion Gottes können diese Liebe, Einheit und Einmütigkeit in den Menschenherzen schaffen. (PUP p.171) | 
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